Veröffentlicht: 25. Oktober 2025 · Zuletzt aktualisiert: 25. Oktober 2025
Autor: S. Fiedler
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Anlageberatung dar.
News-Trading (Nachrichtenhandel): Chancen, Risiken, Zeiten und Setups
News-Trading bedeutet, gezielt auf Nachrichten und Datentermine zu reagieren, die die Erwartungen des Marktes verändern – und dadurch kurzfristige Kursbewegungen auszulösen. Dazu zählen amtliche Konjunkturdaten (etwa Verbraucherpreise und Erzeugerpreise, Arbeitsmarktberichte), Zinsentscheidungen von EZB und US-Notenbank (Fed), Quartalszahlen großer Unternehmen sowie politische Ankündigungen (z. B. Zölle, Sanktionen, Regulierung). Dieser Leitfaden erklärt Ihnen Chancen und Risiken – einschließlich Slippage, typischer Volatilitätsfenster und üblichen Veröffentlichungszeiten – und zeigt, wie Sie ohne „Zockerei“ strukturiert vorgehen.
Warum News Märkte so stark bewegen
Nachrichten verändern Erwartungen: zu künftigen Zinsen, zu Unternehmensgewinnen oder zur allgemeinen Risikoneigung. Je größer die Abweichung von den Prognosen (die „Überraschung“), desto heftiger fällt die Reaktion aus. News-Trading nutzt diesen Katalysator – vorausgesetzt, Liquidität, Zeitfenster und Risikosteuerung werden respektiert. Da zu diesen Veröffentlichungszeitpunkten mehr Marktteilnehmer am Markt agieren, können solche Zeitfenster auch allgemein für Gewinnmitnahmen oder strategischen Zukäufen von relevanten Marktteilnehmern genutzt werden, mutmaßlich die Handelsvolumina eine Umschichtung von Positionen oder Kontrakten besser zulässt. Es geht an den Kapitalmärkten oft um Liquidität, die vorhanden sein muss, damit große Marktteilnehmer Ihre Positionen am Markt zu akzeptablen Konditionen (Spread, Kurs) "unterbringen" können
Chancen
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Planbare Zeitfenster: Viele Veröffentlichungen kommen zu festen Uhrzeiten. Sie können Szenarien und Risikoparameter im Voraus festlegen.
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Große Bewegungen in kurzer Zeit: Intraday-Spannen, die sonst Stunden brauchen, entstehen in Minuten.
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Klare Ausgangslage: Eine Schlagzeile (z. B. Inflationsrate) liefert die erste Richtung; Details können sie bestätigen oder konterkarieren.
Risiken
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Slippage und Spread-Aufweitung: Rund um den Veröffentlichungszeitpunkt ziehen sich Liquiditätsanbieter oft zurück, Spreads werden breiter, Stops rutschen.
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Fehlstarts („Peitsche“): Die erste Kerze preist die Schlagzeile ein, nachfolgende Kerzen preisen Details (Kernrate, Revisionen, Lohnkomponente, Aussagen in Pressekonferenzen) – Richtungswechsel sind möglich.
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Vor-/Nachbörse: Außerhalb der regulären Kassazeiten ist das Orderbuch dünner; Ausführungen sind anfälliger.
Slippage – was passiert rund um den Moment X?
Slippage ist die Differenz zwischen geplantem und tatsächlich ausgeführtem Preis. Um Newszeiten herum gilt:
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Das Orderbuch dünnt aus: Quotierungen werden seltener, die nächste ausführbare Gegenseite liegt deutlich weiter weg.
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Stop-Orders werden zum nächsten verfügbaren Preis ausgeführt (nicht exakt am Stop-Level), besonders bei Kurslücken.
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Kurzfristige Mikroimpulse: Algorithmische Strategien können das Bild in Sekundenbruchteilen drehen.
Praxisgerechte Gegenmaßnahmen
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Positionsgröße reduzieren bei Terminen mit hoher Marktwirkung.
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Stop-Puffer einplanen (z. B. auf Basis der jüngsten Schwankungsbreite).
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Keine Markt-Orders in den ersten 60–180 Sekunden nach Veröffentlichung; erst Rückkehr der Liquidität abwarten.
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Szenarien vorab definieren (besser/schlechter/nahe Prognose) und Wenn-Dann-Regeln festlegen.
Klassische News-Events und typische Veröffentlichungszeiten
Richtwerte für Deutschland: Winter CET, Sommer CEST (meist +1 Stunde). In den USA orientieren sich viele Daten an Ostküstenzeit (ET).
USA
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Verbraucherpreise (CPI): meist 14:30 Uhr CET / 15:30 Uhr CEST (entspricht 8:30 Uhr ET).
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Erzeugerpreise (PPI): meist 14:30 Uhr CET / 15:30 Uhr CEST.
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Arbeitsmarktbericht (Non-Farm Payrolls): 14:30 Uhr CET / 15:30 Uhr CEST, in der Regel am ersten Freitag des Monats.
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Fed (FOMC) – Zinsentscheid: 20:00 Uhr CET / 21:00 Uhr CEST (Erklärung); Pressekonferenz ca. 20:30 / 21:30 Uhr.
Eurozone / Deutschland
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EZB – Zinsentscheid: 14:15 Uhr CET, Pressekonferenz 14:45 Uhr CET (im Sommer jeweils +1 Stunde).
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Harmonisierte Verbraucherpreise (HICP, Eurozone): häufig 11:00–12:00 Uhr CET je nach Veröffentlichungskalender.
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ifo/ZEW-Umfragen (Deutschland): meist späte Vormittagsstunden; genaue Termine laut Kalender.
Warum diese Zeiten wichtig sind:
Sie markieren planbare Volatilitätsfenster. Häufig entstehen zwei Wellen: Headline-Reaktion, anschließend Detail-Nachlauf (z. B. Kerninflation, Löhne, Revisionen; bei Notenbanken: Fragen-Antworten).
Geplante Volatilität: typische Handelsfenster
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USA – Eröffnung Kassamarkt: 15:30–22:00 Uhr CET / 16:30–23:00 Uhr CEST. Die ersten 15–60 Minuten („Eröffnungsphase“) und die letzte Stunde („Schlussphase“) sind oft am volatilsten.
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US-Datenslot 14:30/15:30 Uhr (DE-Zeit): Viele Makrodaten – starke Impulse bereits vor der US-Kassaeröffnung.
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EZB-Slot 14:15/14:45 Uhr: Zwei Impulswellen (Beschluss → Pressekonferenz).
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Vor-/Nachbörse in den USA: vor 15:30 Uhr bzw. nach 22:00 Uhr (CET) – wichtig für Unternehmenszahlen, jedoch mit dünnerer Liquidität.
Ableitung von Daten auf Zinsentscheidungen
Inflationsraten (Gesamt und Kern), Lohnwachstum, Arbeitslosenquote sowie Einkaufsmanagerindizes verschieben die Wahrscheinlichkeiten künftiger Zinsentscheidungen. Stärker als erwartet → tendenziell zinsstraffer, schwächer → tendenziell zinslockerer. Dies spiegelt sich in Anleiherenditen, Währungen und Aktienindizes oft binnen Minuten wider.
Quartalszahlen: Einzelaktien als News-Treiber
News-Trading findet auch bei Unternehmensmeldungen statt – besonders in den USA. Schwergewichte aus Nasdaq-100, S&P 500 und Dow Jones beeinflussen mit ihren Zahlen häufig den gesamten Index. Die Veröffentlichung erfolgt oft vor Börsenstart (früher Morgen ET) oder nach Börsenschluss – also in Vor- bzw. Nachbörse. Das erhöht das Risiko schlechter Ausführungen aufgrund dünnerer Orderbücher und größerer Kurslücken.
Praktisch für Sie:
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Führen Sie einen Kalender mit Datum, Uhrzeit und Erwartungswerten (Umsatz, Gewinn je Aktie).
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Nutzen Sie die implizite Bewegung (aus Optionspreisen) als Orientierung – nicht als Handelssignal.
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Legen Sie verbindlich fest, ob und wie Sie außerhalb der Kassazeiten handeln.
Politische Ereignisse: der unplanbare Faktor
Politische Entscheidungen – etwa neue Zölle, Export-/Importbeschränkungen, Wahl- und Regierungsankündigungen – kommen oft ohne Vorwarnung. Solche Schlagzeilen erzeugen leicht Kurslücken und sprunghafte Richtungswechsel. Konsequenz: Über-Nacht-Risiko begrenzen, Positionsgrößen anpassen, bei politischer Schlagzeilenlage zusätzliche Sicherheitsabstände einplanen.
Vorpositionieren vs. Reaktionshandel – strukturiert statt Zockerei
Vorpositionieren vor wichtigen Meldungen wirkt verlockend, ist aber in der Praxis meist Zockerei: Spreads weiten sich, das Orderbuch wird dünn und Slippage kann Ihr geplantes Risiko vervielfachen. Sie spekulieren auf Abweichungen zur Prognose – ohne verlässlichen Vorteil.
Die bessere Alternative ist der Reaktionshandel:
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Beobachten Sie die erste Preisreaktion und warten Sie die Rückkehr der Liquidität ab (oft 1–3 Minuten).
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Handeln Sie dann mit vordefinierten Szenarien:
A) deutlich besser als erwartet, B) deutlich schlechter, C) nahe am Konsens. -
Für jedes Szenario gilt: Eintrittsbedingung, maximales Risiko, Ausstieg (Ziel/Stop) vorab festlegen.
Achten Sie auf entscheidende Kursmarken: frühere Hochs/Tiefs, Widerstände und Unterstützungen, runde Marken sowie gleitende Durchschnitte (z. B. 20/50/200). News-Impulse laufen häufig in solche Niveaus, testen sie oder drehen dort.
Das gilt besonders an Allzeithochs: Oft kommt es zunächst zu einem kurzen Überschuss („Spike“) über das Hoch, gefolgt von Gewinnmitnahmen und einem Rücklauf unter die Ausbruchsmarke. Wer hier blind hinterherkauft, leidet unter schlechten Ausführungen; wer den Rücklauf-Test beobachtet (hält oder scheitert), kann mit engerem, kontrolliertem Risiko handeln.
Ebenso entstehen nicht selten späte Tagestiefs, die am Ende der Sitzung gebildet und anschließend hochgekauft werden. Solche späten Umkehrpunkte können den Ton für den nächsten Handelstag vorgeben – insbesondere, wenn sie auf markanten Unterstützungen liegen oder mit wachsender Handelsspanne einhergehen. Wer dies erkennt, plant entweder späte Wiedereinstiege mit engem Risiko oder bereitet Folgetags-Setups vor (beispielsweise Eröffnungs-Range-Brüche in Richtung der späten Umkehr).
Praktischer Rahmen
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Positionsgröße reduzieren bei Terminen mit hoher Marktwirkung; Stop-Puffer einplanen.
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Keine Markt-Orders in der ersten Minute; besser limitierte Einstiege nach erneuter Liquidität.
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Marken kombinieren: Reaktion auf die Nachricht und Verhalten an Schlüsselzonen beobachten.
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Zeitfenster kennen: US-Daten häufig 14:30/15:30 Uhr (DE-Zeit), EZB 14:15/14:45 Uhr – rund um diese Slots ist Volatilität potenziell planbar bzw. erwartbar.
Checkliste für dein News-Playbook
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Kalender pflegen: Termin, Uhrzeit, Konsens, Vorwert, „Worauf schaut der Markt?“ (z. B. Kernrate).
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Szenarien definieren: Schwellen festlegen (z. B. Verbraucherpreise ±0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Konsens).
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Risiko steuern: halbe Positionsgröße, Stop als Schwankungs-Vielfaches plus Ereignis-Puffer.
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Ausführung diszipliniert: Erst handeln, wenn Spreads und Orderbuch normalisieren; keine blinde Verfolgung der ersten Kerze.
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Nacharbeit: Prüfen, ob Details die Schlagzeile bestätigen oder negieren; Setups für den Folgetag ableiten.
Fazit
News-Trading kann funktionieren, wenn Sie Zeitpunkte, Liquidität und Risiko respektieren. Planen Sie Szenarien, reduzieren Sie Positionsgrößen bei Terminen mit hoher Marktwirkung und nutzen Sie Kursmarken zur Bestätigung. Denken Sie daran: Die erste Bewegung ist oft nicht die endgültige – Details, Pressekonferenzen und Spätphasen können das Bild drehen. Allzeithoch-Spikes mit anschließenden Gewinnmitnahmen, späte Tagestiefs mit kräftigem Rücklauf sowie planbare Daten-Slots (CPI, Arbeitsmarkt, EZB, Fed) liefern Ihnen klare Rahmenbedingungen, um strukturiert statt spekulativ zu handeln.