Derivat-Strategien: Optionsscheine, Knock-Outs und Discounts verstehen
Die Welt der Finanzmärkte bietet weit mehr als nur den direkten Kauf und Verkauf von Aktien. Für Anleger, die spezifische Marktmeinungen umsetzen, das Risiko absichern oder mit geringerem Kapitaleinsatz von Kursschwankungen profitieren wollen, stehen eine Vielzahl komplexer Finanzinstrumente zur Verfügung. Unter ihnen nehmen Optionsscheine, Knock-Out-Zertifikate und Discount-Zertifikate eine besondere Stellung ein. Sie sind vielseitige, aber auch risikoreiche Derivate, die ein tiefes Verständnis ihrer Funktionsweise erfordern.
Dieser Artikel stellt die drei Finanzinstrumente allgemein vor. Wir erklären Ihnen ihre grundlegende Funktionsweise mit konkreten Beispielen, grenzen sie voneinander ab und beleuchten die Vor- und Nachteile, um Ihnen zu helfen, das passende Instrument für Ihre Anlagestrategie zu finden .
1. Optionsscheine: Die Wette auf die Zukunft
Ein Optionsschein ist ein Hebelprodukt, das dem Käufer das Recht, aber nicht die Verpflichtung gibt, einen bestimmten Basiswert (wie eine Aktie, einen Index oder eine Währung) zu einem vorab festgelegten Preis (Basispreis oder Strike) innerhalb einer bestimmten Frist zu kaufen oder zu verkaufen.
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Call-Optionsscheine (Kaufrecht): Kaufen Sie einen Call-Optionsschein, wenn Sie davon ausgehen, dass der Kurs des Basiswertes steigen wird.
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Put-Optionsscheine (Verkaufsrecht): Kaufen Sie einen Put-Optionsschein, wenn Sie von fallenden Kursen ausgehen.
Hinweis zum Verfall: Am Verfallstag erfolgt bei Optionsscheinen in den meisten Fällen ein Barausgleich. Das bedeutet, wenn der Optionsschein "im Geld" liegt (also einen inneren Wert hat), wird die Differenz zum Basispreis in bar auf Ihr Konto ausgezahlt, anstatt dass die Aktie physisch in Ihr Depot gebucht wird.
Hat der Basiswert den Strikepreis nicht erreicht, kommt es zum Totalausfall des Optionsscheins. Dieser Totalausfall kann entsprechend nur vermieden werden, wenn der Schein vor dem Verfallstag mit ensprechender Restlaufzeit noch im Gewinn oder mit Teilverlusten verkauft wird.
Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn nach Kauf des Optionsscheins der Basiswert stark in Richtung Strikepreis steigt und noch eine genügend große Restlaufzeit vorhanden ist, und der Optionsscheinpreis durch das Wechselspiel der "Griechen" Parameter bezüglich des Preises beim Kaufzeitpunkt gestiegen ist. Kommt es dann zur Stagnation des Aktienkurses, fällt der Optionspreis peu a peu ab, etwa durch den Zeitwertverlust und das auf den Optionsscheinpreis wirkende Theta.
Bei noch bestehender Restlaufzeit, können Optionsscheine "aus dem Geld", "am Geld" oder "im Geld" notieren. Dies gilt auch für Optionen.
-Aus dem Geld ist ein Optionsschein, wenn der Strikepreis, also der "Zielpreis", den der zu Grunde liegende Basiswert am Ende der Laufzeit haben muss, damit der Schein einen inneren Wert hat und ein Barausgleich erfolgen kann, noch oberhalb des Preises des Basiwertes liegt.
Beispielsweise hat der Optionsschein einen Strikepreis von 100 und die Aktie liegt bei 80, dann wäre der Schein weit aus dem Geld und entsprechend sehr günstig, vor allem, wenn das Ausübungsdatum nicht mehr weit weg ist, da , logisch betrachtet, die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienkurs in der kurzen Zeit, etwa 2 Monate verbleibend, noch 100 Euro erreichen wird, je nach Szenario sehr gering sein wird.
Ein Invesment in so einen Schein wäre also hoch spekulativ.
-Am Geld ist ein Optionsschein, wenn der Strikpreis etwa dem aktuellen Aktienkurs entpricht, die Aktie also nur seitwärts laufen oder leicht steigen muss, damit eine Ausübung des Barausgleichs in Frage kommt, zum Laufzeitende.
-Im Geld ist ensprechend ein Optionsschein, wenn der Strikepreis bereits vom Aktienkurs überschritten wurde.
Optionsscheine vs. Optionen: Ein wichtiger Unterschied
Obwohl beide ähnlich klingen, gibt es einen fundamentalen Unterschied:
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Optionen sind standardisierte, börsengehandelte Verträge. Ihr Preis bildet sich transparent durch Angebot und Nachfrage am Markt.
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Optionsscheine werden von Finanzinstituten (Emittenten wie Banken) begeben und sind oft nicht standardisiert. Ihre Handelbarkeit hängt vom Emittenten ab, der auch den Preis stellt.
Dieser Unterschied ist entscheidend, denn er führt direkt zur Rolle der Impliziten Volatilität.
Die Implizite Volatilität: Ein Kalkulationsfaktor der Bank
Die Implizite Volatilität ist ein entscheidender Faktor für die Preisberechnung von Optionsscheinen. Sie gibt an, welche Kursschwankungen der Markt für den Basiswert in der Zukunft erwartet. Je höher die erwartete Schwankung, desto höher der Preis eines Optionsscheins, da das Potenzial für einen Gewinn steigt.
Im Gegensatz zu börsengehandelten Optionen, wo die Implizite Volatilität vom gesamten Markt bestimmt wird, kalkuliert der Emittent bei Optionsscheinen diese Kennzahl selbst. Das bedeutet, dass die Bank einen gewissen Spielraum hat, wie sie die Volatilität in die Preisformel einfließen lässt. Dies kann dazu führen, dass die Preise von Optionsscheinen weniger transparent sind und die Konditionen nicht immer dem fairen Marktwert entsprechen.
2. Die "Griechen": Parameter, die den Preis bestimmen
Der Preis eines Optionsscheins oder einer Option setzt sich aus dem inneren Wert (Differenz zum Basispreis) und dem Zeitwert zusammen. Dieser Zeitwert wird von verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt, die durch die "griechischen Parameter" quantifiziert werden. Diese Kennzahlen sind für jeden Trader von entscheidender Bedeutung.
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Delta (Δ): Das Delta gibt an, um wie viel sich der Preis des Optionsscheins ändert, wenn sich der Kurs des Basiswertes um einen Euro ändert. Ein Delta von 0,5 bedeutet, dass der Preis des Scheins um 50 Cent steigt, wenn die Aktie um 1 Euro steigt. Es misst die Sensitivität des Optionspreises zum Kurs des Basiswerts.
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Gamma (Γ): Das Gamma misst die Änderung des Deltas. Ein hohes Gamma bedeutet, dass das Delta schnell auf kleine Kursbewegungen des Basiswerts reagiert. Es ist besonders bei Optionsscheinen mit kurzer Restlaufzeit und am Geld von großer Bedeutung.
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Vega (ν): Das Vega misst, wie sich der Preis des Optionsscheins bei einer Veränderung der Impliziten Volatilität ändert. Ein hohes Vega bedeutet, dass der Wert des Scheins bei steigender erwarteter Volatilität zunimmt. Trader, die auf steigende Volatilität setzen, achten besonders auf diese Kennzahl.
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Theta (Θ): Das Theta ist ein Maß für den Zeitwertverlust des Optionsscheins. Es gibt an, wie viel Wert der Schein pro Tag verliert, wenn alle anderen Faktoren konstant bleiben. Das Theta ist besonders bei Optionsscheinen mit kurzer Restlaufzeit und am Geld sehr hoch und wirkt immer gegen den Inhaber.
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Rho (ρ): Das Rho misst die Preisänderung eines Optionsscheins als Reaktion auf eine Änderung des Zinsniveaus. Es spielt eine untergeordnete Rolle, kann aber bei Optionsscheinen mit langer Laufzeit oder bei signifikanten Zinsänderungen relevant sein.
3. Knock-Out-Zertifikate: Alles oder Nichts
Ein Knock-Out-Zertifikat, auch Turbo oder KO-Zertifikat genannt, ist ein Hebelprodukt, das keine zeitliche Begrenzung hat, aber über eine entscheidende Knock-out-Schwelle verfügt.
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Funktionsweise: Mit einem Knock-Out-Zertifikat spekulieren Sie gehebelt auf steigende (Long) oder fallende (Short) Kurse. Das attraktive für spekulative Anleger ist, dass der Preis des Knock-Out-Zertifikates dem Differenzbetrag vom aktuellen Aktienkurs zur Knock-out-Schwelle entspricht. So können Sie mit geringem Kapitaleinsatz voll an der Entwicklung des Aktienkurses partizipieren.
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Der Knock-Out-Effekt: Dies ist das größte Risiko. Wenn der Kurs des Basiswertes die Knock-out-Schwelle auch nur kurz berührt, verfällt das Zertifikat wertlos. Sie erleiden einen Totalverlust Ihres eingesetzten Kapitals.
Beispiel: Ein Anleger kauft ein Knock-Out-Zertifikat auf die Aktie Y (aktueller Kurs 150 Euro) mit einer Knock-out-Schwelle von 130 Euro. Der Preis des Zertifikats würde 20 Euro betragen. Wenn die Aktie auf 130 Euro oder darunter fällt, verfällt das Zertifikat. Steigt die Aktie jedoch auf 160 Euro, partizipiert der Anleger dank des Hebels überproportional am Gewinn.
Vor- und Nachteile von Knock-Out-Zertifikaten
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Vorteile: Extrem hohe Hebelwirkung, was hohe Gewinne bei kleinen Kursbewegungen ermöglicht. Es gibt keinen Zeitwertverlust wie bei Optionsscheinen, wenn die Knock-out-Schwelle weit entfernt liegt.
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Nachteile: Das Risiko eines Totalverlusts ist jederzeit gegeben. Kurssprünge ("Gaps") können dazu führen, dass die Knock-out-Schwelle überschritten wird, auch wenn der Kurs während des Handels die Schwelle nicht berührt hat.
4. Discount-Zertifikate: Von Seitwärtsphasen profitieren
Grundprinzip und die Schutzfunktion
Ein Discount-Zertifikat ist ein Finanzinstrument, das Anlegern die Chance bietet, einen Basiswert zu einem reduzierten Preis gegenüber dem aktuellen Marktpreis zu erwerben. Als Gegenleistung für diesen Rabatt ist der potenzielle Gewinn des Anlegers nach oben hin begrenzt.
Das Funktionsprinzip: Nehmen wir an, die ABC-Aktie kostet derzeit 75 Euro. Sie könnten ein Discount-Zertifikat mit einer Laufzeit von sechs Monaten und einem Cap von 90 Euro für nur 71 Euro erwerben. Daraus ergibt sich ein Rabatt von über 5 Prozent. Sollte die Aktie bei Fälligkeit genau den Wert von 90 Euro erreichen oder darüber liegen, würde Ihre Rendite bei beeindruckenden 26,7 Prozent liegen, was die Performance der Aktie in diesem Szenario deutlich übertrifft.
Eine weitere Stärke dieser Zertifikate ist ihr Puffer gegen moderate Kursverluste. Wenn die Aktie bei Fälligkeit auf ihrem Ausgangsniveau von 75 Euro verharrt, hätte der Inhaber des Zertifikats dennoch einen Gewinn von 5,6 Prozent erzielt. Das demonstriert, dass diese Derivate auch dann eine positive Rendite ermöglichen können, wenn der Basiswert stagniert oder leicht fällt.
Erreicht der Aktienkurs des Basiswertes am Ende der Laufzeit den Wert des Caps oder liegt darüber, bekommt der Anleger für gewöhnlich einen Barausgleich ausbezahlt, Liegt der Aktienkurs unterhalb des Caps, bekommt der Anleger die Aktie ins Depot geliefert. Jedoch entsteht für den Anleger dann ein Buchgewinn, wenn der Preis, den er ursprünglich für das Discountzertifikat zahlte, unter dem aktuellen, jedoch den Cap nicht erreichten Aktienkurses liegt.
Die Vorteile in volatilen Marktphasen
Gerade in Zeiten hoher Marktvolatilität können Discount-Zertifikate besonders attraktiv werden. Der Grund dafür liegt in ihrer Konstruktion, die auf Optionen basiert. Wenn die Volatilität steigt, verteuert sich die Optionskomponente im Inneren des Zertifikats. Diese Verteuerung führt wiederum zu einem höheren Rabatt im Vergleich zum direkten Kauf der Aktie.
Bei stark ansteigender Volatilität können die Discounts auf mittelfristig laufende Zertifikate besonders stark fallen. Wenn sich der Kurs des Basiswertes danach wieder erholt, kann dies für Anleger sehr lukrativ sein. Selbst wenn die Aktie den Cap nicht überschreitet, können sie die Aktie mit einem Rabatt ins Depot gebucht bekommen und so einen attraktiven Buchgewinn erzielen.
Wichtige Nachteile, die man kennen muss
Trotz ihrer Vorteile bergen Discount-Zertifikate auch Risiken. Ein wesentlicher Nachteil tritt ein, wenn der Aktienkurs bei Fälligkeit den Cap deutlich übersteigt. In einem solchen Fall schneidet das Zertifikat schlechter ab als eine direkte Investition in die Aktie, da der Anleger nur bis zum Cap von der Kursentwicklung profitiert. Anleger müssen daher sorgfältig abwägen, ob die potenziellen Gewinne die Nachteile überwiegen, insbesondere bei stark positiven Markterwartungen.
Hingegen sind Totalausfälle bei Discountszertifikaten eher unwahrscheinlich bis nahezu unmöglich. Dies wäre nur der Fall wenn der Emmittent pleite geht, also die das Zertifikat ausgebende Bank, und, wenn die Aktiengesellschaft Konkurs geht, bzw. der Aktienkurs in Richtung Null fällt. Ein signifikanter Rückgang des Basiswertes hätte "lediglich" zur Folge, dass die bei Fälligkiet gelieferte Aktie stark unter dem urspünglichen Zertifikatspreis liegt, was natülrich ein Kursverlust wäre. Jedoch wäre dieser immernoch niedriger, als der Kursverlust bei einem Direktinvestment in die zu Grunde leigende Aktie bzw. des Basiswertes.
Merkmal | Optionsscheine | Knock-Out-Zertifikate | Discount-Zertifikate |
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Hebelwirkung | Ja | Ja (oft sehr hoch) | Nein (eher ein Puffer) |
Risiko | Totalverlust möglich | Totalverlust (Knock-out) | Puffer gegen Verluste |
Hauptnutzen | Spekulation auf Trends | Aggressive Hebelstrategie | Seitwärts- und leichte Abwärtsphasen |
Zeitwertverlust | Ja (Theta) | Nein | Ja |
Emittentenrisiko | Ja | Ja | Ja |
Fazit: Derivat-Handel als Präzisionswerkzeug und Mittel zur Diversifikation
Optionsscheine, Knock-Out-Zertifikate und Discount-Zertifikate sind keine Allzweckwaffen, sondern hochspezialisierte derivative Finanzinstrumente, neben weiteren Zertifikatsvarianten, welche von Banken emmitiert werden und ensprechend ein Emmittentenrisiko in sich tragen. Ihre korrekte Anwendung erfordert ein klares Verständnis ihrer jeweiligen Funktionsweise, Risiken und das Verständnis der zugrundeliegenden "Griechen" bei Optionen und Optionsscheinen. Die Wahl des richtigen Instruments hängt von Ihrer Marktmeinung und Ihrer persönlichen Risikobereitschaft ab und wird durch diesen Beitrag nicht explizit empfohlen.
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Setzen Sie gegebenfalls auf Optionsscheine, wenn Sie eine klare Erwartung bezüglich Kursrichtung und Laufzeit haben.
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Wählen Sie gegebenenfalls Knock-Outs für kurzfristige, aggressive Hebelstrategien, bei denen Sie sich des Risikos eines Totalverlusts bewusst sind.
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Nutzen Sie Discount-Zertifikate, um in volatilen Märkten mit einem Sicherheitsnetz zu agieren oder um in seitwärts laufenden Märkten zu profitieren.
Der Handel mit diesen Derivaten ist ein anspruchsvolles Feld. Wer die Regeln beherrscht, kann sein Trading-Repertoire erweitern und von Marktbedingungen profitieren, die mit dem reinen Aktienhandel nicht realisierbar abgedeckt werden.